1898 – 2023
120 Jahre Künstlerhaus Dresden-Loschwitz
Eines der originellsten Gebäude Dresdens, in seiner Art und Funktion einmalig in Deutschland, steht an der Pillnitzer Landstraße in Loschwitz: das seit Anbeginn privat geführte Künstlerhaus. Es ist Zeugnis des herausragenden mäzenatischen Engagements einer einzigen Familie über vier Generationen und 125 Jahre hinweg.
1897/98 vom damals 28-jährigen Dresdner Architekten und Baumeister Martin Pietzsch (1866-1961), einem Meisterschüler von Constantin Lipsius an der Dresdner Kunstakademie, projektiert und ausgeführt, vereinigt es in seiner ursprünglichen Gliederung 16 Ateliers und sowie 12 Wohnungen unter einem Dach. Der damals kühne Wurf, gleichermaßen gerühmt wie kritisiert, bildet seit seiner Erbauung zusammen mit dem benachbarten, 1900 errichteten „Kleinen Künstlerhaus“ einen künstlerischen Mittelpunkt in der auch sonst an Künstlern reich gesegneten Elbhang-Landschaft von Loschwitz bis Pillnitz. Zahlreiche namhafte und weniger bekannte bildende Künstlerinnen und Künstler wirkten und wirken hier als Mieter der Ateliers und Wohnungen.
Von den vielen Künstlern, die in der Vergangenheit hier schufen, seien Sascha Schneider, Joseph Hegenbarth, Otto Westphal, Hans Jüchser, Herbert Volwahsen, Hermann Glöckner und Max Uhlig genannt. Das Haus ist aktuell voll vermietet, und Interessenten werden auf einer Warteliste geführt.
Von 1898 bis 1973 Eigentum der Familie des Erbauers und seiner Nachkommen, wurde das Haus in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kalt enteignet und war bis 1993 im Besitz der Landeshauptstadt Dresden. 1993 gelangte es durch Rückübertragung wieder zum Enkel des Erbauers, dem Dresdner Musikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfram Steude. Er ließ das Loschwitzer Künstlerhaus umgehend sanieren und restaurieren.
Insbesondere seine neun großen und hellen Ateliers, dazu die weiteren kleineren Ateliers und die Wohnungen, haben seit jeher eine besondere Anziehungskraft auf Künstlerinnen und Künstler ausgeübt.
1998 begingen der Eigentümer und die Künstler des Hauses mit Unterstützung des Kulturamts der Landeshauptstadt Dresden, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie zahlreicher Dresdner Galerien das Hundertjahr-Jubiläum des Hauses, willkommener Anlass, seine Geschichte aufzuarbeiten und seine Funktion für Gegenwart und Zukunft neu bewusst zu machen.
Zum 110. Jubiläum 2008 verfassten Anne Claußnitzer und Martin Steude, beide Urenkel des Erbauers, eine umfassende Publikation über das Haus, die von dem im „Kleinen Künstlerhaus“ lebenden Detlef Schweiger kuratiert wurde.
Im Jahr 2023 wurde das 125. Jubiläum des Hauses wegen der Pandemie und des Eigentümerwechsels zur Bürgerstiftung vergleichsweise still begangen. Geplant ist deshalb für 2024 eine Weinedition mit Reben des Jahres 2023 und eine Ausstellung in der Dresdner Galerie John.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt das Haus bei vielen, trotz seiner sowohl an italienische Renaissance als auch an – um 1900 moderner – Industriearchitektur erkennbaren Orientierung, eher als kurios denn interessant. Seit seiner Restaurierung in den 1990er Jahren gewinnt es durch sein ansprechendes Äußeres und seine Modernisierung im Inneren sehr deutlich an Interesse durch Künstler und Kunstwissenschaftler.
Geführt wurde das Künstlerhaus bis Ende 2023 durch die Familie Steude und Claußnitzer in einer GbR mit Martin Steude als Geschäftsführer. Die Maxime von Prof. Dr. Wolfram Steude (1931-2006) als auch nachfolgend von seinen Kindern Martin Steude und Anne Claußnitzer war es, das Haus wirtschaftlich zu führen, aber den Künstlern Arbeits- und Wohnmöglichkeiten zu erschwinglichen Mieten zu bieten.
Die Bürgerstiftung Dresden, die das Haus Anfang 2024 übernommen hat, hält an der Bereitstellung preiswerter Atelierräume für die produktive Nutzung durch Bildende Künstlerinnen und Künstler fest.
Große Teile dieses Textes hat Prof. Dr. Wolfram Steude verfasst. An einigen Stellen wurden Aktualisierungen und Ergänzungen vorgenommen.